Wie Reichtum verschwindet . . .

Zumindest in der Statistik des „Armuts- und Reichtumsbericht“ des Gutachtergremiums der Bundesregierung . Das geht so:

Indem die Autoren einen etwas seltsamen Begriff der Wohlhabenheit eingeführt haben. Dazu gehört jeder, der mehr als das Doppelte des mittleren Nettoeinkommens (€ 1950) zur Verfügung steht, das sind zur Zeit € 3900 netto. Ab dieser Grenze beginnt Wohlhabenheit. Diese Begriffsneuschöpfung verdrängt den Begriff Reichtum und umfasst mit dieser Definition 8 Mio Bundesbürger.

Wer also z.B. 3950 € netto verdient findet sich in der selben Gruppe wieder wie z.B. Dieter Schwarz, Eigner von Lidl und Kaufland, der, der Zeitschrift Forbes zufolge, über ein Privatvermögen von 41,8 Mrd € verfügt und dieses während der Pandemie um 14,2 Mrd € vermehrt hat. Das ist somit nicht mehr Reichtum, sondern Wohlhabenheit. Dadurch ist das provozierende Element, das im Begriff Reichtum mitschwingt verschwunden.

  • 45 Familien besitzen mehr als die Hälfte der Bevölkerung, das sind 40 Mio Einwohner.

  • 13,2 Mio Menschen Deutschlands leben von 1074 € im Monat (das sind 60% des mittleren Einkommens)

Auf der Seite des nicht mehr existierenden Reichtum sieht es so aus:

  • 10% der Bevölkerung besitzen mehr als 67%,

  • Die reichsten 1% besitzen 35%

  • Und das reichste Promille 20% des Nettogesamtvermögens.

Zu dieser Polarisierung hat geführt:

  1. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes mit der Lockerung des Kündigungsschutzes, Liberalisierung der Leiharbeit, Einführung von Minijobs. Dadurch prekäre Beschäftigungsverhältnisse von denen mittlerweile fast ein Viertel aller Beschäftigten betroffen sind.

  2. Die Demontage des Sozialstaates. „Wenn man selbst Geringverdiener riestern lässt, werden diejenigen, die die Banken und Versicherungen besitzen noch reicher und die anderen, denen eine auskömmliche gesetzliche Rente fehlt, rutschen weiter ab.“

  3. „Alle Kapital- und Gewinnsteuern sind während der vergangenen Jahrzehnte entweder abgeschafft worden wie die Börsenumsatz- und die Gewerbekapitalsteuer, werden einfach nicht mehr erhoben wie die Vermögenssteuer, obwohl sie noch im Grundgesetz steht, oder sind drastisch gesenkt worden wie die Körperschafts- und die Kapitalertragssteuer.“

  • Die Steuern für die Armen, die Mehrwertsteuer, wurde von 16% auf 19% erhöht.

  • Viele Familien können sich die Innenstädte nicht mehr leisten und werden rausgentrifiziert.

  • Das Bundesverfassungsgericht hat den berliner Mietendeckel aus formalen Gründen gestoppt und verweist auf die dringende Notwendigkeit das auf Bundesebene zu regeln.

  • Falls uns die CDU als Regierungspartei erhalten bleibt. ist das nicht zu erwarten. Sie hat im vergangenen Jahr von der Immobilienwirtschaft 1,25 Mio € an Spenden bekommen.

In Österreich wird die Wohnungsversorgung als Kernbestandteil der sozialen Daseinsvorsorge gesehen und in die öffentliche Verantwortung genommen. „Die Mietpreise (in Wien) sind halb so hoch wie in München, weil dort mehr als 50% der Mietwohnungen nicht Konzernen . . . sondern der Stadt gehören.“

PS: Die hier zitierten Zahlen stammen aus dem Pressegespräch, das Christoph Butterwegge mit Alex Rühle, Journalist der Süddeutschen Zeitung, geführt hat. SZ 23. 4 2021.

Christoph Butterwegge hat Politikwissenschaften an der Universität Köln gelehrt. Zuletzt erschien von ihm „Ungleichheit in der Klassengesellschaft“.