Das könnte man als Titel über diesen Abend schreiben, denn Entspannung bei bezahlbaren Wohnungen ist nicht in Sicht. Zunächst ging der Referent auf die Situation auf dem Wohnungsmarkt ein. Auf dem „freien Wohnungsmarkt“ sei eine rege Bautätigkeit. Das Problem dabei ist, dass die Maximalkosten für diese Wohnungen inzwischen bei maximal 7 bis 8 tausend Euro pro qm liegen und somit für eine große Zahl der Bürger nicht erschwinglich ist. Eine 100 qm große Wohnung erfordert immerhin 700 bis 800 tausend Euro, eine 80 qm große Wohnung immerhin 490 bis 560 tausend Euro. Da bleibt nur ein relativ kleiner Kreis von Käufern übrig und es besteht die Gefahr, dass große Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen bleiben und ihr Leben wohl als Pendler vom billigeren Umland einrichten müssen.
Wohnen darf nicht Luxus werden!
Damit das nicht passiert hat man in der letzten Legislaturperiode durchgesetzt, dass 30 % der Wohnungsneubauten als EOF-Wohnungen errichtet werden müssen. Eine
Erhöhung hierbei ist möglich, hier sind Grenzen als „Kalte Enteignung“ gesetzt. Die 30 % kann eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt für finanzschwächere Bürger bedeuten. Um aber auch weiterhin Kosten zu sparen, sind an mehreren Stellschrauben kommunal und bundesweit zu arbeiten. Diese sind wie folgt zu erfassen: 1. Die Gesetzesvorgaben, DIN-Normen und Nachweise sind zu umfangreich und sind zu verschlanken. 2. Die Bereitschaft neue Wohnformen zuzulassen wird beschritten und (s. Sheridan-gelände) und es ist ein richtiger Weg. Hier werden Vergaben von Bauflächen an innovative Wohnideen geknüpft und nicht an Finanzen. Der Erfolg im Sheridan ist zu evaluieren. Systematisch ist auf eine neue Mobilität umzusteigen. Hier ist man in den Anfängen und dies muss beschritten werden. Hier kann man durch ein nachgewiesenes „Mobilitätskonzept“ Schritt für Schritt erreichen, dass die Bereitschaft mit Rad, ÖPNV und Per Pedes in der Stadt zu agieren und partiell auf PKWs zu verzichten, dazu führen kann, dass weniger Stellplätze nachgewiesen werden dürfen. Gute Beispiele gibt es in München und weiteren Großstädten in der Bundesrepublik. In Augsburg beginnt man im Moment damit. 3. Genehmigungsvorgänge können durch digitale Bauanträge zeitlich verkürzt werden. Auch hier ist Augsburg auf einem neuen Weg. Dies setzt aber voraus, dass alle Ämter miteinander gut vernetzt sind. Dies ist ein bundesweites Problem. 4. Entwicklungszeiträume sind sehr lang, weil die Komplexibilität heutigen Bauens so groß ist, dass man mit 4- 6 Jahren rechnen muss, um ein Wohngebiet zu entwickeln. Hier muss man bundesweit im Bereich des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung erleichternde Anregungen schaffen (Siehe: MU Urbanes Mischgebiet) als erster Aufschlag. 5. Investitionen werden leider partiell nur dazu benutzt Wohnungsbau zu versprechen, um Einzelhandelsflächen zu generieren. Hier hat Augsburg leidvolle Erfahrungen machen müssen. Es ist immer anstrengender, gute innovative Wohnbauten zu entwickeln, als auf die Schnelle Gewerbe zu generieren. Bei Flächenentwicklungen sollten zwingend Wohnbauflächen mit gefordert werden. 6. Nutzungsentfremdungen oder Zweckentfremdungen sind konsequent mit Satzungen zu belegen, wobei sehr exakt zu überprüfen ist, wo und in welchem Umfang Wohnungen zweck-entfremdet werden. Hier besteht auch die Gefahr der Denunziation. 7. Archäologie und Denkmalschutz sind wichtige Komponenten unseres Daseins. Trotzdem sollten auch diese Bereiche abwägungsfähig bleiben um die Verhältnismäßigkeit beim Entwickeln und Bauen zu wahren. Hier hat sich der Einsatz eines Stadtheimatpflegers sehr bewährt. 8. Die letzte Stellschraube ist leider die Klagebereitschaft vieler Mitbürger, auch bei bewältigbaren, regelbaren oder übersehenen Belangen. Hierdurch werden Bauzeiten verlängert und Kosten gesteigert. Sinnvoll erscheint hier, dass man Positivflächen für Nachverdichtungen schafft, Quartiersberatungen optimiert und allgemein bei ersten Veränderungen im Bestand Bürger mitnimmt. Dies setzt aber voraus, dass diese auch mitgenommen werden wollen!
Folgende Begriffe wurden noch angesprochen
Mietendeckel
Das Berliner Beispiel wird genau beobachtet. Inwieweit die Erfahrungen dort auf andere Großstädte zu übertragen sind, muss später geprüft werden. Es verspricht interessant zu werden.
Grundeigentum
Eine entschädigungslose Enteignung gibt es in der Bundesrepublik nicht. Eine Enteignung ist jedoch grundsätzlich nur möglich ( z.B. für Straßenbau, Stadtplanung u. ä.), wenn die Notwendigkeit für die Öffentlichkeit bewiesen wird. Die Eigentümer sind immer angemessen zu entschädigen. Eine Enteignung ist prinzipiell somit schwierig, da sie an nicht missbraucht werden darf und verschiedene gesetzliche Vorgaben zu durchlaufen hat.
Öffentlicher Anteil bei Investitionen
Bei jeder Investition sind öffentliche Flächen für die Kommunen dann kostenfrei zu Verfügung zu stellen, wenn diese Flächen in einem kausalen Zusammenhang mit der Investition und dem Mehrwert stehen (Kitas, Erschließungsstraßen, Grün, Aufenthaltsflächen, technische Flächen oder öffentliche Einrichtungen die der sozialen Bindekraft der Bauinvestition dienen.
Darüber hinausgehende Flächen für die Öffentlichkeit sind angemessen zu honorieren bzw. durch den Investor selbst zu betreiben (Wohnaufenthaltsflächen, Stellflächen etc.). Hier sind Obergrenzen zu beachten, um die Angemessenheit zu wahren.
Quartiermanagement
Darunter ist zu verstehen, dass – auf freiwilliger Basis – sich jemand, der Quartiermanager, etwas um die Menschen in dem Stadtteil kümmert: Ist Hilfsbedürftigkeit zu beobachten? Gibt es Konflikte? Gibt es Leerstände? Sind Hinterbliebene in zu großen Wohnungen, die sie nicht mehr bewältigen können? Kann deren Problem durch Umzug gelöst werden? Inwieweit hier eine Kommune aktiv werden kann und muss ist sicherlich für die Zukunft zu prüfen, um Leerstände von Wohnungen oder 1-Personen-Nutzungen von sehr großen Wohnungen zu minimieren. Notfalls sind dann finanzielle Anreize zu schaffen, um eine große Wohnung aufzugeben. Mindestens muss eine angemessene ERSATZWOHNUNG vorhanden sein.
Airbnb Die Vermietung von Wohnungen als Hotelersatz kann sich zu einem Problem ausweiten. Die Gewinne, die dadurch zu erzielen sind, können auf dem normalen Wohnungsmarkt nicht erreicht werden. Deswegen ist diese Entwicklung zu beobachten und zu bekämpfen Momentan scheint es in Augsburg noch keinen Anlass zur Sorge zu geben. Hier müssten ggf. Städtische Satzungen erlassen werden (Siehe auch „Stellschrauben“).
Sonderformen des Bauens
Dort werden Wohnen, Arbeit und Soziales zusammen geplant und zu einer neuen Quartierqualität entwickelt, z.B. Senioren-WGs. Gemeinsames geschlechtsspezifisches Wohnen, Gemeinsames Nutzen von Fahrzeugen, Kinder- und Altenbetreuungen etc,
Als gelungene Beispiele sind Projekte in München zu nennen. Hier stellt die Stadtverwaltung sicherlich eine Liste zusammen, die man als Bürger vor Ort abarbeiten kann.
Der Abend wurde abgerundet mit einer eingehende Betrachtung eigener Bauvorhaben von Herrn Quarg
Es war ein gewinnbringender Abend mir lebhafter Diskussion. Die Teilnehmer bedankten sich bei Stefan Quarg mit einem herzlichen Applaus.
1) Stefan Quarg, Architekt, Stadtplaner und in jungen Jahren Lehrbeauftragter, war zwei Wahlperioden Mitglied des Stadtrates und Vorsitzender des Bauausschusses.
EOF = Einkommensorientiertes Fördern von Wohnungen im 3-Stufenmodell MU Urbanes Wohngebiet bedeutet, dass eine höhere Immission im Gebiet akzeptiert werden muss, weil im Wohnen auch stilles Gewerbe und soziale Einrichtungen mit untergebracht und nachgewiesen werden müssen. %-Anteile sind vom Gesetzgeber nicht festgeschrieben.
Vortrag Stefan Quarg1 OV Ulrich, 15. 10. 2020, Zeughaus